Vor sechs Monaten hat mein Kunde, der mittvierzigjährige Eqitypartner eines großen Investmentfonds, den Wunsch vorgebracht, endlich resilient zu werden, quasi wie Teflon. An Teflon prallt alles ab. Eine tolle Vorstellung für einen erfolgsverwöhnten Mann, immer auf der Überholspur, immer gefeiert, der nach den Turbulenzen der vergangenen zwei Jahre nun Betablocker nimmt und körperlich nicht mehr ignorierbare Alarmsignale erhält.
Dem Irrglauben, Resilienz bedeute, dass einen nichts mehr tangiert oder gar in ein mentales Loch haut, begegne ich oft. Dem ist aber so nicht!
Der Begriff „Resilienz“ kommt aus der Materialkunde und beschreibt die Fähigkeit eines Materials, nach einer Verformung wieder in seine ursprüngliche Form zurückzufinden. Im übertragenen Sinn bedeutet Resilienz bei uns, die psychologische Widerstandsfähigkeit oder seelische Belastbarkeit zu haben, mit Stress, Krisen, Herausforderungen und schlimmen Ereignissen so umzugehen, dass wir letztlich ohne dauerhafte Beeinträchtigung oder sogar gestärkt daraus hervor gehen. Resilienz bedeutet also nicht, erst gar keine Dellen und Löcher zu bekommen, sondern die Fähigkeit wieder heraus-zu-kommen.
Alles kein Problem, versprechen Kurse: „Resilient in 3 Tagen“. Verführerisch beim gegenwärtigen Stresslevel, dem viele ausgesetzt sind aber wenig hilfreich.
Dabei kann Resilienz tatsächlich entwickelt, gestärkt und verbessert werden, in dem wir unsere erlernten Verhaltensmuster und psychologische Fähigkeiten weiterentwickeln. Dafür gibt es hilfreiche Strategien und Ansätze, die aber eher langfristige Persönlichkeitsentwicklung sind, die Übung, Zeit und Anstrengung erfordern.
Diese Aussicht gefiel meinem Kunden ja gar nicht aber er hatte noch die Energie, mit Selbstreflexion, Perspektivwechseln und Abstandsritualen an seiner Weiterentwicklung zu arbeiten. Resilienz ist eine komplexe psychologische Eigenschaft und kann durch Techniken unterstützt werden, erlernt sich aber nur in der Praxis und ist ein lebenslanger Entwicklungsprozess. Wir können immer besser werden!
In Gesprächen mit (Top-)Führungskräften erfahre ich von häufiger Überforderung, Verlust von Selbstbewusstsein und Selbstsicherheit, von Schwierigkeiten, mit den ganzen Veränderungen noch umgehen zu können, von negativen Denkmustern und Gedankenspiralen und spüre viel zu oft Gefühle von Hilflosigkeit und Niedergeschlagenheit. Da ist es ein gesunder Ansatz nach Resilienz zu streben und sich als Persönlichkeit weiterzuentwickeln.
Sucht euch dafür Hilfe und soziale Unterstützung – und zwar bevor ihr so weit in der Belastung oder salopp gesagt im Loch steckt, dass ihr nicht mehr die Energie und Kraft für die eigene Entwicklung habt.