Die Tücke mit unseren Stärken und Schwächen
Uns wird von klein an beigebracht, uns auf unsere Schwächen zu konzentrieren. Einer meiner Kunden hatte in der Grundschule eine 2 in Englisch und eine 4 in Mathe. Ihm wurde gesagt, dass er sich viel mehr anstrengen muss und dass Jungs in Mathe doch gut sein müssen. Seine Eltern haben in viele Stunden Nachhilfe investiert, um ihn gut durch die Schulzeit zu bringen. Ein typischer Fall. Wir lernen dabei unbewusst: verwende deine größte Energie auf das Ausmerzen der Schwächen. Mein Kunde hat dann Maschinenbau studiert, er war es ja gewohnt hart zu arbeiten. Heute verantwortet er den Vertrieb eines Unternehmens und ist dort voll in seinem Element, auch wenn der Weg dahin ganz schön steinig war.
Für ein positives Berufsleben kommt es vor allem darauf an, seine Stärken zu kennen und sich Positionen zu suchen, wo wir unsere volle PS gut auf die Straße bringen können. Das gilt auch ganz unabhängig vom Ausbildungsgrad. Jeder hat ein einzigartiges Stärkenset, das an bestimmten Stellen gefragt, gesucht und richtig am Platz ist.
Es lohnt sich, sein einzigartiges Stärkenset zu suchen und es gibt viele gute Methoden das zu tun. Oft ist es lohnend, es einmal mit professioneller Hilfe anzugehen aber auch selbst kann dazu viel getan werden. Das einfachste Vorgehen ist dabei, 8-10 Personen zu bitten uns zu schreiben, wo wir ihrer Ansicht nach sehr gut sind. Erlaubt sind dabei nur Verben, keine Adjektive! Gefragt ist dabei, was wir können und nicht wie wir sind. Wenn Sie das noch nie gemacht haben, dann los! Sie werden erstaunt sein, was es mit Ihnen macht, Ihre Kompetenzen schwarz auf weiß aufgelistet zu bekommen.
Ich arbeite daran mit Menschen aller Hierarchiestufen. Man glaubt gar nicht, wie viel Verunsicherung dazu existiert. Selbst erfahrene Manager können völlig den Blick auf ihre Stärken verlieren, gerade wenn etwas schief gelaufen ist. Und wann läuft schon alles schnurgerade?
Wir sollten uns also auf unsere Stärken konzentrieren – uns zwar immer wieder? Absolut!
Wenn uns dann gelungen ist, uns regelmäßig auf die Stärken zu konzentrieren, dann ist also alles gut? Leider nein, denn dann lauert eine weitere Tücke.
Haben wir erst einmal die Kraft unserer Stärken entdeckt, können wir vor lauter positiver Erfahrung beginnen, die Stärken und unsere Erfolgsmuster zu übertreiben. Ein unbewusster Prozess…. Und leider ist die übertriebene Stärke eine unserer gemeinsten Schwächen, da wir sie meist nicht als solche wahrnehmen.
Dieses Phänomen begegnete mir gerade wieder bei einem meiner Topmanagementkunden. Ein Bereichsvorstand, mit dem ich gerade arbeitete, ist zum Beispiel unglaublich gut darin, andere zu überzeugen, was sicherlich ein großer Hebel für seine Karriere war. Irgendwann ist ihm da aber etwas entgleist, bis er im Ergebnis einer Mitarbeiterbefragung lesen musste, dass er keinen mehr zu Wort kommen lässt, dass er nur noch zuhört, um zu erwidern und nicht mehr, um zu verstehen. Er „überzeugt“ so sehr, dass andere Meinungen komplett untergehen. Viele starten laut dem Feedback noch nicht einmal mehr den Versuch, Ihre Meinung zu äußern. Das hat meinen Kunden entsetzt und aufgerüttelt, in zweierlei Hinsicht. Erstens hat er an sich den Anspruch, ein guter Chef zu sein und zweitens weiß er -zumindest theoretisch-, dass er alleine mit seiner Meinung auch falsch liegen kann und nicht nur seine Karriere sondern auch das Geschäft gefährden kann. Die Presse ist voll von diesen „Hero zum Zero“ Geschichten.
Er will daran arbeiten und wir sind mit viel Reflektionsarbeit und Methoden des Perspektivwechsels daran, seine Stärke wieder zu einer Stärke werden zu lassen und sie nicht mehr unbewusst zu übertreiben. Kein Spaziergang für ihn aber ein lohnender Einsatz.
Bauen Sie also weiterhin auf Ihre Stärken aber hinterfragen Sie darüber hinaus regelmäßig Ihr Handeln. Suchen Sie Menschen, die Ihnen den Spiegel vorhalten und schauen Sie genau hin. Reflektion ist das Zauberwort. Beim Stärken finden und beim Vermeiden, sie zu übertreiben.
Viel Geschick dabei!