Produktiver, kreativer und gesünder durch selfcare und care
Das ifo Institut kam gerade mit der Meldung raus, dass 30 % der Unternehmen Produktivitätsrückgänge vermelden und wir lesen täglich über die Zunahme von physischen Erkrankungen und von Depression.
Das Homeoffice ist für große Teile der arbeitenden Bevölkerung der Arbeitsort geworden und man stellt sich die Frage: ist das ein Traum oder ein Alptraum? Die Meinung meiner Kunden geht da weit auseinander. Ein CIO meinte kürzlich, dass er endlich so arbeiten kann, wie er immer schon wollte und dass er für immer komplett im Homeoffice bleiben wollte. Er ist unter meinen Kunden aber eher ein Exot. Die meisten der Führungskräfte, mit denen ich arbeite, sitzen seit April im Homeoffice, begrüßen generell die Möglichkeiten des Homeoffices aber wünschen sich wieder Zeiten herbei, mit vielen physischen Treffen und auch – meist in modereraterem Umfang – Geschäftsreisen. Ob man virtuelles Arbeiten nun mag oder nicht, ist bereits klar, dass das neue Arbeiten als hybrides Modell erhalten bleibt aber auch mit Nebenwirkungen daher kommt.
Bereits während der ersten Phase der Pandemie im Frühjahr klagten meine Kunden darüber, dass deutlich mehr Zeit- und Energieaufwand erforderlich sei bei gleichzeitigem Gefühl, weniger erledigt zu bekommen. Der Kommunikationsaufwand für Führungskräfte im virtuellen Setting und einer Krise wurde von allen unterschätzt – wahrscheinlich auch wie miserabel der Netzausbau in Deutschland ist. Der meistbenutzte Satz in 2020 wird wohl: “Hörst du mich?“ sein 🙂
Vor allem die extrovertierteren unter den Führungskräften, mit denen ich arbeite, hatten eine zusätzliche neue Herausforderung: Themen wie Selfcare, Selbstmanagement, „manage deine Energie, nicht deine Zeit“ sind mit Nachdruck auf den Plan auch der Robustesten gekommen und das Thema Resilienz hat eine neue Dimension bekommen: die des social engaging.
Meine Kunden berichten zudem durchgängig, dass etwas in Schieflage gekommen ist – bei sich und bei ihren Mitarbeitern. Dass Spaß Motivation und soziales Miteinander fehlen. Während gestern beim Lauf über den Firmenkorridor hier und da ein Schwätzchen, ein Lachen, ein Austausch beim Kaffee im kleinen Dienstweg oder nur ein Nicken im Meeting uns selbstverständlich erschienen und keine besondere Aufmerksamkeit erfuhren, fehlt genau diese soziale Interaktion. Einer meiner Kunden fasste es so zusammen: „es ist als ob wir nur noch halb zur Arbeit gehen. Die menschliche Komponente und der Spaß bleibt außen vor“.
Regelmäßige Umfragen in den großen Industrienationen ergaben bereits, dass 20-40 % über Einsamkeit klagen. Dieser Wert dürfte sich in den letzten Monaten nicht verbessert haben. Einsamkeit ist das subjektiv empfundene Gefühl, nicht die sozialen Kontakte zu haben, die man braucht. Ich habe beim Lesen des lohnenswerten Buches „Together“ von Vivek H. Murphy gerade erst gelernt, was Einsamkeit anrichtet. Studien ergeben, dass Einsamkeit nicht nur unser Risiko depressiv zu werden erhöht, sondern auch zu höherem Risiko von Herzerkrankungen, Bluthochdruck und Demenz führt und dass Menschen mit starken sozialen Beziehungen ein 50 prozentig geringeres Risiko haben, vorzeitig zu versterben.
Es kommen weitere Sorgen dazu. Einhellig besteht das Gefühl, dass irgendwie alle am Anschlag sind und von 8 Uhr morgens bis spät abends nonstop und ohne Unterbrechung in virtuellen Meetings sitzen. Videomüdigkeit macht sich breit. Da keine oder noch weniger Zeit ist, um Emails zu bearbeiten, etwas zu durchdenken, sich auf Termine vorzubereiten, zur Toilette zu gehen oder nur Wasser zu holen, wird das parallel zu den Meetings erledigt. Sieht ja keiner, die Kamera kann ja ausgelassen werden. So ist der Bildschirm dabei meistens schwarz -auch weil die Internetzugänge in vielen Haushalten gar kein stabiles Videostreaming zulassen. Die Kommunikation gleicht dem Monolog mit dem schwarzen Loch.
Das Starren in einen überwiegend schwarzen Bidschirm ist für viele die vorwiegende Beschäftigung geworden. Eine meiner Kundinnen berichtete mir erst letzte Woche, dass sie selbst in der Aufsichtsratssitzung ein wichtiges Thema vor komplett schwarzem Bildschirm präsentieren musste.
Es macht nichts Gutes mit uns, wenn ein Großteil des Tages alle vor dem schwarzen Loch des Bildschirmes sitzen. Geistige Agilität, Spaß, Energieschübe und frische Ideen – fraglich!
Für Individuen und Firmen gilt es die neue Herausforderungen schnell zu bewältigen, um die Produktivität aber ebenso wichtig, auch die Kreativität, die Innovationskraft und die mentale Gesundheit und Motivation aufrecht zu halten. Der einzelne muss sich bewusster mit sich und seinen Bedürfnissen auseinandersetzen und dafür Sorge tragen, dass die Batterien geladen werden. Manage your energy, not your time ist aktueller denn je.
Firmen und ihre Führungskräfte haben mit der Aufgabe die mentale Gesundheit und soziale Einbindung ihrer Mitarbeiter zu sichern, eine neugewichtete Verantwortung bekommen, auf die viele gerade nach Antworten suchen. Es wird schon einiges dazu getan und ausprobiert. Meine Kunden berichten vom Fitnesstrainer in der virtuellen Vorstandssitzung, der alle Stunde mit Rückenübungen nicht nur Bewegung sondern auch atmosphärische Auflockerung und Spaß in die Runde bringt. Sie erzählen von Initiativen, wie virtuellen blind dates, die sie zur sozialen Interaktion zwischen Mitarbeitern unterschiedlicher Bereiche initiieren, von Quizrunden am Abend, Kochabenden mit virtuellem Koch und geschicktem Lebensmittelpaket für alle Teammitglieder und vielem mehr.
Das Thema wird uns wohl alle und vor allem Personalverantwortliche noch länger beschäftigen. Ich bin gespannt!
Es sind aber nicht nur die Firmen. Jeder von uns hat die Aufgabe dazu beizutragen, auf sich und andere zu achten.
Hier ein paar einfache Tipps:
1. Startet eure Meetings immer um xx:15 Uhr, um allen zwischen den Meetings genug Zeit zu lassen.
2. Wenn möglich: Kamera immer an
3. Geht verantwortlich mit Emails um: Wie wir mit emails umgehen, weckt Erwartungen. Und zwar von anderen an uns und von uns an andere. Wer um 6 Uhr morgens bereits emails verschickt, erreicht, dass die anderen um diese Zeit bereits immer eine Reaktion erwarten und setzt die anderen unter Druck, es gleich zu tun.
4. Malt euch tägliche eine Batterie auf und markiert, wie energetisch ihr euch fühlt. Wenn die Batterie eher leer wird, dann fokussiert, auf alles, was die Energien füllt. Energy first, Business second! Das dient nicht nur der Gesundheit sondern auch den Geschäftsergebnissen.
5. Plant Zeit für Netzwerken und informellen Austausch ein – am besten mit solchen Menschen, bei denen ihr euch immer besser fühlt. Kreativität und neue Ideen brauchen das bewusste Heraustreten aus dem Hamsterrad.
Nicht nur Studien zeigen, dass wenn wir in self care investieren, wir nicht nur unser burnout Risiko minimieren und unser Energielevel besser ist, sondern dass wir auch besser im Job sind, weniger Fehler machen und kreativer sind.