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Wie sieht es mit der Macht aus in agilen Unternehmen?

Viele Menschen und vor allem die jüngeren Generationen tun sich schwer mit den Machtstrukturen in traditionellen Organisationen und hinterfragen die gegebenen Spielregeln. Selbst diejenigen, die geborene Politiker zu sein scheinen, oder sich mit der ein oder anderen blutigen Nase die Spielregeln der Macht angeeignet haben, fluchen nicht selten genug darüber.  Umso erfreulicher, dass sich seit Jahren eine Verschiebung abzeichnet, weg von traditionellen Strukturen und Leadership hin zu agilem Arbeiten. Liest man dann über agile Unternehmen, kommt man leicht auf den Gedanken, dass neben den vielen Vorteilen der Agilität in der neuen demokratischerer Arbeitswelt das Problem mit der Macht und den Machtstrukturen verschwindet. Ein reizvoller Gedanke für viele, doch ist das so?

Soziologen sagen, Macht sei ein „soziologisch amorphes“ Phänomen. Damit meinen sie, dass Macht in allen Formen menschlichen Miteinanders allgegenwärtig ist. Das wird schon früh sichtbar: Bereits im Kindergarten kann man beobachten, dass einigen Kindern, die Durchsetzung ihres Willens wichtiger ist, als anderen. Interessanter wird es noch bei Jugendlichen und ihren Cliquen. Ich staune immer wieder, wie klar die Rollen, wie stark die Hierarchien und die Dynamiken in der Gruppe der Jugendlichen sind, wie gut aber auch das Aufeinanderaufpassen innerhalb der Gruppe funktioniert. Es gibt Tonangeber, deren Meinung Gesetz ist und eher geduldete Außenseiter und ich muss dabei oft daran denken, dass ein provokativer Redner mal meinte, wer Organisationen verstehen will, solle die Strukturen der Streetgangs in den Bronx studieren. Soweit weg muss man aber gar nicht gehen: Man kann Machstrukturen in Ehen, Freundschaften, selbst  im Ehrenamt und in Familien erkennen, im politischen und schulischen Kontext oder in Vereinen.

Macht scheint mit uns Menschen verknüpft  und  die Suche nach einem machtfreien Raum im zwischenmenschlichen Leben wohl vergeblich. Kommt Macht nicht in Form von Hierarchie daher, dann tritt sie zu Tage in Form von Informalität, in der die Über- und Unterordnung in subtilerem Gewand daher kommt. Es gibt also die formale und die informale Macht, man könnte auch sagen:  hard und soft power.

Formale Form der Macht ist die Autorität kraft Position, die im Wesentlichen mit dem Recht von Belohnen und Bestrafen ausgestattet ist. Informelle Macht liegt in der Person des Agierenden und hat Machtquellen wie Expertise, Reife, Integrität und sogar Humor. Informal mächtige Menschen sind oft Menschen, die uns gut fühlen lassen oder die unseren Respekt genießen.

Selbst in hierarchischen Organisationen ist Macht nicht nur dem Rang geschuldet. Es gibt überall starke Meinungsmacher, die kaum hierarchische Power haben, aber dafür sehr viel informale. Und es gibt Chefs, die vergleichbar wenig Macht haben, trotz ihrer Position. Denn auch in traditionellen Strukturen müssen Chefs neben ihrer hierarchischen Macht auch über informelle Macht verfügen. Besitzen Vorgesetzte nur formale Amtsautorität und wenig persönliche Autorität, werden sie als schwache und unfähige Führungskräfte wahrgenommen. Meist ein Alptraum für alle Beteiligten!

 

Da Macht allgegenwärtig ist, stellt sich die natürliche Frage, wie sie in modernen und agilen Unternehmen zu finden ist. Eine gerade im Journal für Psychologie veröffentlicher Artikel von Michael W. Buch und Karin Link hat sich intensiv damit auseinandergesetzt, wie Macht in agilen Strukturen stattfindet.

Agile Organisationen verankern Entscheidungsbefugnisse in kleinen Teams oder Kreisen und  Rollen und zeichnen sich durch maximal flache Hierarchien aus. Macht tritt dann in anderen Formen auf, folgt jedoch auch dem Prinzip der Über- und Unterordnung. Letztlich geht es nach den Psychologen auf die Frage zurück: wer kann sich gegen wen durchsetzen bzw. freundlicher formuliert: wie Meinungen und Sichtweisen gewichtet werden, hängt am Ende wieder von Einflussverhältnissen, also dem Faktor Macht ab. Interessant ist, dass dem Faktor Sympathie  in der agilen Organisation eine immense Rolle zugeschrieben wird. Das gilt auch zum Thema Netzwerk. Netzwerker mit hervorragenden Kontakten nach innen und außen verfügen über größere Deutungsmacht und mehr Einfluss, was  in flachen Strukturen mehr durchschlagen kann.

Vereinfacht ausgedrückt kann man sagen: auch agile Organisationen werden wohl über formale Machtstrukturen verfügen auch wenn diese in ihrer Bedeutung abnehmen. Aber die informellen Machtquellen gewinnen an Bedeutung. Es gibt also eine Verschiebung von formaler Macht zu informaler Macht, mit allen Licht- und Schattenseiten.

Wir werden in den nächsten Jahren hierzu sicherlich viel dazu lernen. Die Wirkungsmechanismen von Macht zu verstehen ist für jede Organisationen wichtig, aber insbesondere für Unternehmen, die in der Transformation hin zu agilen Strukturen stecken, von erfolgskritischer Bedeutung.

Klar ist heute schon, dass in agilen Strukturen der Gemeinschaftswillen groß sein muss und dass manche ihren Willen zur eigenen Macht zügeln müssen. Auch in der neuen Arbeitswelt sind diejenigen erfolgreich, die etwas können, die es mit anderen können und die jemanden kennen, also ein großes Netzwerk haben. Dabei gewinnen die 2 letztgenannten deutlich hinzu.

Die emotionale Intelligenz gewinnt – auch an Macht!